Europaallee, Zürich

Stadtsalon

Entlang des südlichen Gleisfeldrandes ist beim Zürcher Hauptbahnhof ein neues Stadtquartier mit Einkaufspassagen, Gastronomie, Büros und Wohnungen entstanden. Die diagonal verlaufende Europaallee teilt die hohen, blockrandartigen Bauten längs und weitet sich an beiden Enden zu je einem Platz auf: Auf der einen Seite entsteht ein neuer Bahnhofplatz an der Sihl, auf der anderen Seite ein Stadtplatz, der die Europaallee an das gewachsene Quartier anbindet. Mit seiner für Zürich ungewohnten Grosszügigkeit bietet der Boulevard eine weite Bühne für städtisches Leben. Seine Leere ist den Passantinnen und Flaneuren gewidmet, die als Hauptdarsteller die freie Mitte beleben. Zwei hochstämmige Ginkgo-Kolonnaden durchmessen diesen magistralen Stadtraumund setzen der Vielfalt der Architekturen als grüne Kulissen eine wohltuende Ruhe und Eigenständigkeit entgegen. Unterschiedliche Baumabstände akzentuieren die Raumsequenz: weit bei der Allee und komprimierter bei den triangulären Platzfiguren.

Der Asphaltbelag führt die städtische Materialität der angrenzenden Quartiere im neuen Stadtteil fort. Ein helles Granitband rahmt ihn schmückend ein und lenkt die Passantenströme als visuell-taktiles Leitelement zum und vom Bahnhofsportal. Der Europaplatz beim Bahnhof bietet Orientierung bei der Ankunft in der Stadt und ist auf eine hohe Interaktionsdichte ausgelegt. Mit einer Stufenanlage öffnet er sich auf die Sihl, über die künftig auch eine Fussgängerbrücke führen wird. Dem fliessenden Wasser steht ein ruhender Wasserspiegel auf dem Gustav-Gull-Platz am anderen Ende der Allee gegenüber. Ein Bündel bogenförmiger Wasserstrahlen legt hier einen feinen Klangteppich über den Ort und kühlt an heissen Sommertagen.

Die langen Bänke lehnen sich mit ihrer eleganten Holzlattung und ihren Gusskonsolen in der Gestaltung an die traditionelle ‹banc public› an. Sie bieten eine komfortable und konsumfreie Sitzgelegenheit im öffentlichen Raum und erlauben durch ihre beidseitige Ausrichtung den Blick auf die Schaufenster oder aber auf das städtische Leben. Der Ginkgo, oder poetischer ‹Mädchenhaarbaum›, zeichnet die Europaallee aus. Sein gefächertes Blatt widerspiegelt ihre aufspreizende Stadtraumfigur. Im Pflanzenreich nimmt die charaktervolle Baumart als lebendes Fossil eine Sonderstellung ein. Als letzte Art aus dem Mesozoikum überlebte sie die Saurier und war vor den Eiszeiten auch in unseren Wäldern heimisch. Zurückgedrängt auf ein kleines Territorium in China feiert der Baum nun in der Europaallee seine Rückkehr als klimaresistenter Stadtbaum mit einer umwerfenden goldgelben Herbstfärbung.

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Bauherrschaft
Bauherrschaft: SBB Immobilien Development, Bern
Tiefbauingenieure
EWP, Effretikon; Eichenberger, Zürich
Wassertechnik
Aqua Transform, Gossau SG
Projektdaten
Studienauftrag: 2006, 1. Preis (Rotzler Krebs Partner)
Projekt und Realisation: 2007–2021
Fotografie
Beni Schafheitle, Buchs